Doris Gutsmiedl-Schümann

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Doris Gutsmiedl-Schümann

Rückblick auf das 4. Pandemiesemester:

Die Sicht der Studierenden nach Beginn der Vorlesungszeit

Doris Gutsmiedl-Schümann

8 Minuten Lesezeit

Nachdem die ersten 6 Wochen der Vorlesungszeit im 4. Pandemiesemester vergangen waren, wollte ich auch ein Stimmungsbild der Studierenden einholen. Hierzu habe ich eine digitale Pinnwand erstellt, auf der sie Kommentare hinterlassen konnten.

Vom 1. bis 8. Dezember 2021 habe ich den Studierenden in meinen Veranstaltungen die Möglichkeit gegeben, anonym auf einer Flinga-Pinnwand ein Stimmungsbild zum aktuellen Semester abzugeben. Hierzu habe ich zwei Fragen gestellt:

Wie haben Sie das Semester bisher erlebt? Welche Erwartungen haben Sie an die kommenden Wochen der Vorlesungszeit?

Die Antworten auf diese Fragen möchte ich im Folgenden vorstellen. Auch nach dem Ende der Vorlesungszeit geben sie einen guten Einblick in die Lage der Studierenden.

Zur Kontextualisierung: Diese Antworten wurden gegeben, bevor die Freie Universität Berlin zum 13.12.2021 dazu aufgerufen hat, wo es möglich ist, auf digitale Lehre zu wechseln.

Wie haben Sie das Semester bisher erlebt?

Auf diese Frage wurden 14 Antworten gegeben.

Pinnwand mit Antworten von Studierenden Pinnwand mit Kommentaren von Studierenden zum bisherigen Verlauf des Wintersemesters 2021/2022. Diese Kommentare wurden auch in den folgenden Text integriert.

Deutlich wird, dass sich die Studierenden über die Möglichkeit freuen, wieder an Seminaren vor Ort teilnehmen zu können. Dabei werden zum einen die persönlichen Begegnungen mit anderen Studierenden und Lehrenden, die nun auch ungeplant oder zufällig stattfinden können, hervorgehoben, zum anderen die andere Art des Diskutierens in Lehrveranstaltungen vor Ort.

  • Es ist schön durch die Uni wieder einen einigermaßen geregelten Tagesablauf zu haben. Außerdem freue ich mich über die sozialen Kontakte.
  • Ich freue mich sehr, wieder etwas Unialltag zu erleben und einen Grund zu haben, das Haus zu verlassen. Die Online-Semester waren für mich sehr demotivierend und unproduktiv. Es ist eine große Erleichterung, dass die Uni nicht mehr ausschließlich vorm Laptop stattfindet, auch weil so die Kommunikation in Seminaren viel angenehmer ist.
  • viele schöne, spannende Diskussionen! Es hat sehr gut getan wieder Alle zu sehen
  • Den Start ins Semester habe ich geradezu euphorisiert erlebt. Ich habe nochmal so richtig gespürt, was in den letzten Semestern gefehlt hat. Alle Begegnungen, die nicht online stattfinden – vor allem auch die fachlichen – weiß ich nun umso mehr zu schätzen!
  • Die Möglichkeit wieder in präsenz Unterricht haben zu können, habe ich sehr positiv aufgefasst. Trotz der Masken und der Abstände erinnerte es an ein angenehmes Lehr– und Arbeitsumfeld aus vorherigen Semestern, an das ich mich jedoch zunächst erst wieder gewöhnen musste.
  • Es ist befreiend wieder an die Uni gehen zu können! Der Druck im Homeoffice wird dadurch gedämpft! Gewohnheiten aus den Lockdown Zeiten konnte ich teilweise ablegen!
  • Die Vorfreude am Anfang wieder in Präsenz zu lernen war sehr groß. Es ist doch eine andere Atmosphäre wenn man nicht vor dem heimischen PC sitzt und direkt mit den Kommilitonen und den Dozenten interagieren kann. Da sind mir dann sogar längere Anfahrtszeiten zur Uni relativ egal.

Universitäre Lehre und Lehrveranstaltungen werden hierbei aus meiner Sicht nicht nur als Lehr/Lernraum, sondern auch als Sozialraum beschrieben. In den digitalen Lehrveranstaltungen der vergangenen Pandemiesemester lag der Fokus v.a. darauf, den Lehr/Lernraum im Digitalen nachzubilden; das Einrichten eines universitären Sozialraums im Digitalen wurde selten thematisiert. Sollten weitere vorwiegend digitale Semester folgen, ist das ein Aspekt, den ich in die Lehrveranstaltungsplanung mit aufnehmen werde.

Es haben sich aber auch Studierende geäußert, die die Lehre vor Ort und das Wiedersehen mit Studierenden und Lehrenden zwar begrüßt haben, für die Präsenz an der Universität aber auch mit Ängsten und Sorgen oder einem mulmigen Gefühl verbunden war:

  • Es freut mich zwar, alle wieder zu sehen, aber insgesamt, hatte ich doch viel Angst. Ich habe nicht das Gefühl, dass die Uni uns wirklich schützen möchte.
  • Ich genieße es sehr Menschen wieder ungeplant irgendwo zu treffen, aber die momentane pandemische Entwicklung macht mich sehr unsicher.
  • Ich finde es gut, wieder Lehrende und Studierende in Präsenz zu sehen und nicht nur online diskutieren und fragen zu können. Andererseits bin ich mir der Gefahr eine Ansteckung an der Uni schon bewusst. Am liebsten wären mir daher in allen Seminaren Hybride Formate, bei denen man wählen kann, ob man online partizipiert oder zur Uni geht.
  • Im Großen und Ganzen Gut. Präsenz zu haben hat mir sehr gut getan. Auch wenn die volle Mensa oder Ubahn einen dann doch zurückschrecken lässt. Vor allem auch da meine Kurse nur in kleinen Gruppen stattfanden. Technik von Hybrid hat im Grunde gut geklappt. Das Semester war durch den späten Start aber viel kürzer als sonst und erhöht somit zum Teil auch den Stressfaktor was Referate angeht.
  • Jede Fahrt zur Uni fühlt sich an wie ein Gang über dünnes Eis. An der Uni fühle ich mich gut geschützt, aber den hustenden Menschen in Bus und Bahn kann ich oft nicht ausweichen. Daher fährt die Unsicherheit immer mit: Werde ich mich auf dem Weg infizieren? Werde ich, obwohl geimpft, das Virus in die Uni tragen und dort weitergeben?
  • Es ist sehr schön, mal wieder “normal” zu studieren. Die Kurse ziehen sich nicht so ewig, weil keiner was sagt, ganz im Gegenteil – die Diskussionen sind wieder da. Auch die interessanten Gespräche auf den Fluren mit anderen Menschen als nur mit den engen Freunden. Trotzdem wird das überschatten von der derzeitigen Lage. Bei der Frage, ob es Präsenz oder online werden soll, weiß ich nicht, was ich da antworten soll – beides hat sein gutes und schlechtes, aber am Ende lieber wieder online machen (und das eher früher als später)

Auch diese Gefühle müssen in einem Pandemiesemester ernst genommen werden. Wer sich um die eigene Gesundheit sorgt, oder befürchten muss, ein potentiell tödliches Virus an vulnerable Personen weiterzugeben, kann sich nicht besonders gut auf die Inhalte der Lehrveranstaltungen konzentrieren.

Hybride Lehrveranstaltungen, bei denen ein Teil der Studierenden vor Ort, ein Teil der Studierenden online teilnimmt, wären hier eine gute Lösung. Sinnvolle hybride Lehre bedeutet aber auch, dass die entsprechende Technik zur Verfügung stehen muss, die es sowohl den Studierenden vor Ort, als auch den Studierenden im digitalen Raum ermöglicht, gleichermaßen an der Veranstaltung zu partizipieren. Wenn ein Teil der Studierenden nur zuschauen, aber nicht mitmachen kann, ist hybride Lehre keine Lösung.

Für manche Studierende war der Beginn des Wintersemesters aber auch nicht mit besonderen Gefühlen verbunden:

  • Das bisherige Semester verlief für mich recht farblos und der Situation entsprechend. Allerdings haben weder Institut noch Lehrkörper Schuld.

Interessant wäre für mich, ob es weiteren Studierenden so ergangen ist, sich diese Studierenden aber in Umfragen zum 4. Pandemiesemester aber eher zurückgehalten haben, weil sie dachten, nichts zum Stimmungsbild beitragen zu können, da sie eben keine besondere Stimmung oder keine besonderen Gefühle zum Ausdruck bringen konnten?

Welche Erwartungen haben Sie an die kommenden Wochen der Vorlesungszeit?

Schauen wir uns nun noch an, welche Erwartungen die Studierenden für den weiteren Verlauf des Wintersemesters formuliert haben. Hier wurden 12 Antworten gegeben. Zur Erinnerung: Dieses Stimmungsbild wurde eingeholt, bevor universitätsweit beschlossen wurde, angesichts der Omikron-Welle die Lehre wieder größtenteils digital abzuhalten. Diese Entwicklung wurde aber bereit zu diesem Zeitpunkt von vielen der Studierenden vorausgesehen.

Pinnwand mit Antworten von Studierenden Pinnwand mit Kommentaren, in denen Studierende Anfang Dezember 2021 ihre Erwartungen für den weiteren Verlauf des Wintersemesters 2021/2022 formulieren. Diese Kommentare wurden auch in den folgenden Text integriert.

Sehr deutlich wurde von Seiten der Studierenden bereits Anfang Dezember 2021 die Erwartung formuliert, dass ihre Lehrveranstaltungen angesichts der steigenden Covid-19-Infektionszahlen wieder online durchgeführt werden. Zugleich wurde aber auch die Hoffnung geäußert, dass Bibliotheken geöffnet bleiben – aber vor allem, dass es klare Ansagen von Seiten der Universität gibt.

  • Ich erwarte eigentlich, dass es spätestens eine Woche vor den Ferien wieder online gemacht wird. Dies würde ich begrüßen, aber dann bitte von der Uni auch anmessend vorher angesagt und informiert – die Bibliothek und am besten auch die Mensa sollte aber weiter erreichbar sein.
  • Aufgrund der derzeitigen Pandemieentwicklungen gehen wir wohl sehr bald wieder in die Onlinelehre. Bei einigen meiner Kurse wurde das bereits durch die Dozenten so umgesetzt.
  • Für die restliche Zeit des Semesters erhoffe ich mir grundsätzlich das Absinken der Fallzahlen, um im nächsten Jahr womöglich wieder an einem geregelten Universitätsalltag teilnehmen zu können. Jedoch sollte die Hybridlehre weiterhin als Möglichkeit angeboten werden, da diese auch nach der pandemischen Lage die Teilnahme an den Kursen, trotz Erkrankung, fehlender Zeit usw., ermöglicht.
  • Ich hoffe, dass wir nicht allzu lange Online-Vorlesungen/Seminare haben.
  • Eindeutigere Aussagen von Seiten der Uni zur Lage wären schön. Das auf die steigenden Zahlen der Fälle geachtet wird und darauf Rücksicht genommen wird, wir aber nicht wie in den Online Semestern komplett alleine gelassen werden. Heißt, das von Seite des Institutes auch mehr Input gibt in Bezug auf soziales
  • Ich hoffe, dass einfach nur irgendwie durch zustehen. Ich befürchte, dass alles einfach irgendwie weiter läuft wie bisher, ohne klare Ansagen.
  • Meine Erwartungen für die kommende Vorlesungszeit sind recht angespannt und hoffnungsvoll zugleich. Ich hoffe, dass keine “pandemiebedingten” Komplikationen bezüglich meines Bachelor-Abschlusses auftreten. Die Organisation des Studienbüros bzw. die eingeschränkte Bearbeitungsfähigkeit sowie die verminderten Auskunftstätigkeiten Seitens der Beratungsstelle machen mir Sorgen
  • Egal, wie es weitergeht: Ich würde mir eindeutige Ansagen von Seiten der Universität wünschen.

Zudem wurden auch Wünsche nach (strengeren) Kontrollen von bereits bestehenden Schutzmaßnahmen wie der Maskenpflicht in der Bibliothek oder das Einführen einer universitätsweite 2G/2G+-Regelung geäußert, um trotz steigender Fallzahlen Aktivitäten vor Ort zu ermöglichen.

  • Ich hoffe, dass die Bibliothek offen bleibt und die Maskenpflicht am Arbeitsplatz (wieder?) strenger kontrolliert wird, da ich mich sonst gar nicht wohlfühle.
  • Im Idealfall Durchsetzung einer 2G/2G+ Regelung, um sicherzustellen, dass die Uni offen bleiben kann.

Es wurde aber auch Unterschiede zu den vorangegangenen Pandemiesemestern bemerkt:

  • Digitale Lehre bin ich nun gewohnt. Dennoch denke ich, dass die Umstände nun andere sind, als noch im vergangenen “Corona-Winter”. In meiner “Impfbubble” fühle ich mich sicher.
  • ich erwarte, dass wir uns nicht wieder so vereinzeln. Das müssen wir nicht.

Alles in allem zeigte sich, dass die Studierenden mit ihren Anfang Dezember 2021 geäußerten Erwartungen im Großen und Ganzen richtig lagen. Nach inzwischen 4 Semestern in der Covid-19-Pandemie haben sie ein gutes Gespür für bevorstehende Entwicklungen. Auch daher würde ich mir wünschen, dass die Perspektive der Studierenden regelhaft gehört und berücksichtigt würde.


Dieser Blogeintrag ist am 2. März 2022 zuerst unter https://archiskop.hypotheses.org/728 erschienen.

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Forschende - Lehrende - Archäologin | Prähistorikerin - Hochschuldidaktikerin